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Madonna – Rebel Heart
Madonna – „Rebel Heart“
(Interscope/Universal)
Es gibt nur wenige Künstler, bei denen die gesamte Popwelt ausnahmslos in Aufruhr gerät, sobald ein neues Album erscheint. Madonna ist definitiv so ein Superstar und als ihr 13. Album „Rebel Heart“ am Freitag erschien, war das gleichermaßen ein Pflichtthema für die Klatschspalten, für alle seriösen Feuilleton- und Musik-Journalisten, sowie für die nerdigen Hipster-Magazine.
Madonna Louise Ciccone fasziniert nachwievor, denn auch in ihrem vierten Schaffens-Jahrzehnt gibt sich die Queen Of Pop unermüdlich, arbeitswütig und stets auf der Suche nach dem neuesten Zeitgeist. Doch genau hier liegt der Knackpunkt von „Rebel Heart“, dem Nachfolgealbum zu dem bei Fans und Kritikern zurecht durchgefallenen „MDNA“ von 2012. Auch dessen Vorgänger „Hard Candy“ von 2008 war gelinde gesagt schon wenig innovativ und stand im Schatten des großartigen „Confessions On A Dancefloor“.
Hier hatte Madonna mit den Überhits „Hung Up“, „Jump“ oder „Sorry“ den bislang letzten Meilenstein ihrer beeindruckenden Karriere gesetzt. Das Album war wenigstens noch ein Album, aus einem Guss, ein Gesamtwerk – musikalisch wie produktionstechnisch. Doch fortan drehten sich die Discokugeln langsamer und langsamer, was auch die jedesmal aufs neue verpflichteten Super-Produzenten nicht verhindern konnten. Pharrell Williams und Timbaland gelang mit „Hard Candy“ kein Erfolg und auch „MDNA“ wurde trotz Martin Solveig und William Orbit ein Flop. Längst waren es andere Künstler, die mit ihrem Sound wie selbstverständlich neue Maßstäbe setzten und neue Trends lostraten.
Lady GaGa oder Katy Perry zum Beispiel brachten Madonna unter Zugzwang, „Rebel Heart“ soll es nun richten, doch der holprige Weg bis zur Veröffentlichung am Freitag spricht Bände: Zunächst wurde die Queen Of Pop letzten Herbst von der digitalen Gegenwart eingeholt, als große Teile des noch im Rohstadium befindlichen Albums im Internet auftauchten. Madonna tobte vor Wut und veröffentlichte gezwungenermaßen die paar hastig fertiggestellten Tracks vorab auf iTunes.
Vielleicht war es ja auch nur ein geschickter Marketing-Gag, doch dann bliebe die Frage, warum außer dem allenfalls durchschnittlichen „Living For Love“ nicht etwas spannenderes als erste Single präsentiert wurde. Die Nummer ist gut, geht ins Ohr, aber ist leider von der Sorte Vocal-Disco-House-Pop, die Madonna schon seit Jahren abliefert. Maßstäbe setzen klingt anders.
Nummern wie etwa „Bitch I’m Madonna“ oder „Unapologetic Bitch“ klotzen dann zwar mit Dubstep-Spielereien und jeder Menge Effekten, doch das können Major Lazer, Nicki Minaj und Co besser – und zwar schon seit Jahren. Dünnes Eis für einen 56 Jahre alten Popstar. Lichtblicke hingegen bleiben die Songs „Devil’s Pray“ und „Ghosttown“, welche angenehm normal nach melodischem Madonna-Pop klingen. Manchmal hilft es einen Schritt zurückzugehen, um nach vorn zu kommen. Die Verleihung der Brit Awards wäre die nächste Chance gewesen, Maßstäbe zu setzen, doch der künstlerische Fall der Pop-Königin ging – sprichwörtlich – weiter. Leider präsentierte Madonna nicht, wie erwartet, einen neuen Song zur anstehenden Veröffentlichung von „Rebel Heart“ und überraschte auch nicht mit Stargästen oder Show-Elementen. Stattdessen brachte sie einmal mehr das mittlerweile 3 Monate alte „Living For Love“ in einer eher hölzern wirkenden und gefühlt schon zigmal gesehenen Choreographie. Der Tanzunfall samt Sturz während ihres Auftritts brachte Madonna in Folge wenigstens Mitgefühl und die Solidarität der Popwelt ein, konnte aber nicht wirklich von einer drögen Performance ablenken und dem faden Gefühl kreativen Stillstands.
Die finale Version von „Rebel Heart“ enthält nun insgesamt 19 Songs, die die künstlerische Zerreißprobe von Madonna offenbaren: Auf der einen Seite behutsam arrangierte Pop-Songs wie „HeartBreakCity“ oder versteckte Perlen wie „Wash Me Up“, auf der anderen Seite aber hinterlässt der große Rest der bombastisch (über-)produzierten Songs beim Hörer eher das peinlich berührte Gefühl, daß hier mehr gewollt als gekonnt wurde. Das wirkt ein bißchen so, wie wenn der eigene Großvater auf einmal im Ed Hardy-T-Shirt zum Familienfest erscheint.
Torsten König, Musikredaktion Gong 96,3