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Radeln & Skaten in München: Nie „oben ohne“
Wer sich in der Landeshauptstadt per Drahtesel, E-Bike, Skateboard oder Inlineskates fortbewegt, bekommt immer wieder von allen Seiten zu hören „Zieh dir bloß einen Helm an“. Doch was steckt eigentlich genau hinter diesem Mantra? Eins vorweg: Es ist wesentlich mehr, als unbegründete Sorge um Freunde und Familie. Ein Blick hinter die Kulissen von Unfallzahlen, Verletzungsstatistiken und den schmerzhaften und langwierigen Folgen, die größtenteils verhindert werden können, wenn der Kopf durch einen passenden Helm geschützt wird.
Alles reine Statistik
Schon mal zur Rush Hour mit dem Fahrrad von der Universität nach Friedenheim geradelt? Oder vielleicht von Alt-Moosach nach Schwabing geskatet?
Wer das auch nur einmal getan hat, wird es nicht mehr vergessen. Der Grund: Als Radfahrer und Skater in München hat man zu den Stoßzeiten im Verkehr das totale Nachsehen. Auch wenn in einem Test des ADAC die Landeshauptstadt mit einem „durchschnittlich“ noch zur Spitze der getesteten Großstädte gehörte, was den Verkehr abseits von Auto und Motorrad anbelangt. Ganz nüchtern betrachtet lässt sich diese Tatsache auch in Zahlen ausdrücken, und zwar anhand des momentan noch aktuellen Verkehrsberichts des Münchner Polizeipräsidiums, der die Lage von 2014 wiederspiegelt.
Darin erwähnt nämlich Polizeipräsident Kopp schon im Vorwort: „Bei den Unfällen mit Radfahrern ist ein deutlicher Anstieg um 9,2 Prozent auf knapp über 3.000 zu verzeichnen“. Und schaut man sich die Zahlen an, sieht das Ganze noch etwas deutlicher aus:
Quelle: Verkehrsbericht 2014
Soweit die Ursachen. Doch was diese Zahlen ausdrucksstark macht, ist nicht nur der teilweise scharfe Anstieg gegenüber dem Vorjahr, sondern die Anzahl der Unfälle, die von Radfahrern alleine verursacht wurden: 503, oder 16,6 Prozent – nicht immer ist also der Autofahrer schuld, sondern oft genug auch der Radler ohne fremdes Zutun. Und immer wieder wurde bei Unfällen ein Körperteil in Mitleidenschaft gezogen: Der Kopf. Warum? Wer auf einem Fahrrad sitzt oder skatet, dessen Kopf stellt meist den obersten Teil dar. Stürzt man nun, erhält der Schädel durch diesen langen Hebelweg, in Verbindung mit der eigenen Bewegungsgeschwindigkeit, die größte Beschleunigung. Daher schlägt er mit viel stärkerer Wucht auf Motorhauben oder das Straßenpflaster, als etwa die Hüfte oder die Oberschenkel.
Am besten wird das in folgender Grafik deutlich:
Die Schäden: Schwer
Doch was passiert eigentlich genau, wenn ein ungeschützter Kopf auf den Asphalt schlägt?
So wie schon bei der Beschleunigung, die in der vorherigen Grafik eine Rolle spielte, ist auch hier Physik im Spiel – und eine Menge Medizin. Es zeigt sich: Selbst leichteste Unfälle abseits des Verkehrs in Münchens Parks können schwere Konsequenzen haben.
- Erreicht der Kopf den Asphalt, hat er eine Geschwindigkeit erlangt, die von der Körpergröße und der Sitzhöhe (bei Fahrradfahrern) definiert wird. Der Straßenbelag sorgt dafür, dass dieses Tempo binnen Sekundenbruchteilen auf null reduziert wird.
- Dadurch wird das Gehirn beschleunigt, denn es ist etwas kleiner als der Innendurchmesser des menschlichen Schädels. Die Folge: Das Gehirn schlägt gegen die Schädelseite, die mit dem Boden in Kontakt steht und wird dadurch, weil es weich ist, verformt, bevor es wieder „zurückfedert“.
- Das Mindeste, womit ein Verunfallter rechnen muss, ist eine mehr oder weniger schwere Gehirnerschütterung. Denn so starke Schläge sind für das empfindliche Kontrollzentrum des Organismus zu viel. Die Folgen: Bewusstlosigkeit, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen. Und, wie die Apotheken-Umschau verrät, ist die Grenze zu einem schweren Schädel-Hirn-Trauma dabei fließend.
- In allen Fällen wird auch das Äußere des Kopfes in Mitleidenschaft gezogen: Die weiche Haut wird abgeschürft oder platzt schlicht unter der Belastung auf. Und das ist nicht nur richtig schmerzhaft, sondern kann, wie später zu lesen sein wird, auch richtig teuer werden.
- Je nach Wucht ist der Schlag auch für den Schädelknochen selbst zu viel: Zwar ist er bei einem Erwachsenen zwischen 6,5 und 7,1 Millimeter dick, aber auch das reicht bei schweren Unfällen nicht mehr aus. Die Folge ist ein Schädelbasisbruch und dann herrscht akute Lebensgefahr. Unter anderem, weil innen Knochenfragmente vom Schädel abplatzen und das Gehirn verletzen können.
Und wenn der Schädel erst mal so stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, können lebenslange Folgen bis hin zum Tod auftreten. Wer erinnert sich nicht an den schweren Skiunfall von Michael Schumacher? Laut Sportscheck wäre der nämlich sehr wahrscheinlich tödlich verlaufen, hätte der Formel-1 Mehrfachweltmeister keinen Helm getragen. Zwar dauert seine Genesung immer noch an, aber es besteht nach wie vor Hoffnung, dass Schumi eines Tages wieder gesund sein wird – dank des Helms, den er trug. Und genau so schwer können Unfälle auch abseits der Skipiste mitten in der Münchner Innenstadt ablaufen. Aber selbst wenn die Folgen nicht so gravierend sind, dauert es trotzdem noch lange genug, bis ein solcher Unfall vergessen ist, wie das folgende Kapitel zeigt.
Die Behandlung: Langwierig
Einmal bewusstlos auf der Motorhaube eines Autos an der Münchner Freiheit oder auf dem Westend-Asphalt wird der Besuch beim Arzt das Mindeste sein: Aufgeplatzte Wunden der Haut müssen dann genäht werden – das tut gleich zweimal weh, weil bei so großen Wunden Betäubungsmittel für die Lokalanästhesie nicht mehr richtig wirken.
Wie es sich anfühlt, dann mehrere Nadelstiche durch die Gesichtshaut zu bekommen, kann sich jeder vorstellen, der sich in dieser Region ein Tattoo stechen ließ. Und das ist noch nicht alles. Selbst bei einer so vergleichsweise harmlosen Gesichtsverletzung dauert die Heilung unter Umständen mehrere Wochen. Und dann neigt die Haut je nach Schweregrad auch zur Vernarbung. Und das wiederum verunstaltet ein Gesicht gewaltig. Das gilt auch für die Gentlemen, die heute noch der Meinung sind „Narben zieren den Herrn“ – sie tun es nicht.
Und weil tiefe Narben wie die einer genähten Platzwunde auch nach vielen Jahren sichtbar bleiben, bleibt nichts anderes übrig, als sie entfernen zu lassen, sofern nicht mit diesem Manko gelebt werden soll. Etwa per Laser. Nur: Die Kosten, die je nach Umfang und Anzahl der Sitzungen zwischen einigen hundert und mehreren tausend Euro betragen, zahlt keine Krankenkasse. Warum? Schönheits-OPs, und dazu zählt eine Narbenreduktion, gelten bei den Kassen als ästhetischer Eingriff und werden nur in zweierlei Fällen bezahlt
- Wenn die Narbe das normale Leben durch starke Schmerzen beeinträchtigt
- Wenn der Anblick den Verunfallten besonders stark psychisch mitnimmt
Allerdings sind dazu fachärztliche Gutachten erforderlich, die nur in den seltensten Fällen Aussicht auf Erfolg haben. Der normale Verunfallte wird meist auf seinen Behandlungskosten sitzen bleiben. Das bedeutet, selbst wenn der Unfall mit den Inline-Skates nur für eine Platzwunde an der Stirn sorgte, können die Folgen allein schon von den Kosten her gravierend sein. Und wie Forscher feststellten, leiden Gedächtnis und Lernfähigkeit auch bei leichten Gehirnerschütterungen noch nach Jahren.
Doch es geht noch schlimmer. Dann, wenn der Schädel in Mitleidenschaft gezogen wurde. In diesem Fall geht es geradewegs in die Notaufnahme. Dort wird der Kopf geröntgt, damit die Ärzte feststellen können, ob das Gehirn verletzt ist. Je nach Schweregrad bleiben solche Patienten anschließend gleich mehrere Wochen auf der Intensivstation, in schlimmen Fällen sogar im künstlichen Koma, weil das Gehirn durch den Stoß anschwillt. Und dann müssen die Chirurgen den Schädel anbohren, um Druck vom Gehirn zu nehmen.
Wurde das Gehirn verletzt, kann es natürlich auch passieren, dass dadurch Körperfunktionen beeinträchtigt werden. Dann leidet beispielsweise die Motorik. So kann ein Fahrradunfall dafür sorgen, dass der Radler über mehrere Monate hinweg Sprechen und Laufen neu erlernen muss – eine Garantie, dass alles wieder wie früher funktioniert, gibt es indes nicht.
Und um ein zweites Mal das Beispiel Michael Schumachers zu bemühen: Natürlich kann ein schwerer Unfall auch den besten Helm überstrapazieren, genauso, wie auch die Belastungsgrenze eines PKW-Sicherheitsgurtes irgendwann erreicht ist. Aber: Selbst extrem schwere Stürze, die ohne Helm mit dem Tod enden würden, können mit diesem Schutz immer noch so weit abgemildert werden, dass ein Weiterleben möglich ist – egal, wie lange die Rehabilitation dauert.
Zieh dir bloß einen Helm an – wirklich! Echt jetzt!
Das Mantra, das Eltern und Partner immer wieder wiederholen, ist also nicht nur Selbstberuhigung, sondern hat einen echten Hintergrund. Zum Vergleich:
Das Mantra, das Eltern und Partner immer wieder wiederholen, ist also nicht nur Selbstberuhigung, sondern hat einen echten Hintergrund. Zum Vergleich: Selbst ein hochwertiger Fahrradhelm für Hardcore-Downhillfahrer schlägt selten mit mehr als 150 Euro zu Buche. Modelle für den normalen Straßengebrauch kosten auch teilweise sehr viel weniger und sehen dabei nicht zwangsläufig nach „Tour de France“ aus. Natürlich, der Staat lässt den Menschen die Wahlfreiheit, ob sie einen Helm tragen möchten oder nicht. Aber: Wer ehrlich zu sich selbst ist, stellt schnell fest, eine wirklich gute Ausrede, um keinen Helm zu tragen, gibt es nicht: Auf den 500 Metern zum Bäcker kann es ebenso zum Unfall kommen, wie auf der Fahrt zur Arbeit, zur Uni oder zu Freunden. Und eine durch den Helm zerdrückte Frisur ist wesentlich schneller und günstiger gerichtet, als ein Schädelbasisbruch, der dafür sorgt, dass man monatelang in Krankenhäusern und Reha-Zentren untergebracht wird. Und wer es jetzt immer noch nicht eingesehen hat, dem sei folgendes Beispiel ans Herz gelegt:
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